Status quo: Äußerst
packende und mitreißende Geschichtsstunden bei Herrn Einhellig, allgemein
bekannt als Lu, mit folgendem Ablauf:
Stundenlange Diskussionen zu Beginn der
Stunde leisteten einen gewaltigen Beitrag für unsere geschichtliche
Weiterbildung und gezielte Vorbereitung auf´s Abitur; die Numerierung
der Überschriften bzw. der zahlreichen Unterüberschriften oder
die Anzahl der auszufragenden Schüler pro Stunde (acht Schüler,
davon drei in den letzten fünf Minuten) boten hierfür genügend
brauchbare Anreize. Anschließend waren zwei oder manchmal gar drei
informative Sätze als Hefteintrag vorgesehen. Um unser im Unterricht
derart gefordertes Gehirn auch zu Hause nicht ermüden zulassen, gab
uns Herr Einhellig Unmengen an Seiten im Buch zum Durcharbeiten auf ("Also,
des san die Seitn achtaneinzg bis hundertfünfafuchzg."); natürlich
darf man dies nur als Ergänzung zum Unterricht und als zusätzliche
Informationsquelle betrachten. Daß er uns den Stoff, wie er selbst
meinte, nur "runtergeleiert" hat (Zitat 24.3.98), stimmt ganz und gar nicht.
Wie gebannt hingen wir doch stets an seinen Lippen und ließen uns durch
nichts und niemanden vom Aufpassen abhalten. Warum wir trotz eines solchen
Arbeitseifers im Stoff unaufholbar weit zurückgefallen waren, wird wohl
ein ewiges Rätsel bleiben.
Grund: Erkrankung des Geschichtslehrers
im Oktober 1997:
Da nun Herr Einhellig für längere
Zeit bei uns nicht einsetzbar war, und dennoch unsere "heißgeliebten"
Geschichtsstunden nicht entfallen durften, mußte schnellstens für
Ersatz gesorgt werden.
Umerziehung im Geschichtskurs:
Frau Ungers "Recovery Program"
Eigentlich hätte ja alles beim Alten
bleiben können, Verbesserungen des Unterrichts wären wirklich
überhaupt nicht nötig gewesen. Im Grunde änderte sich auch
nicht sooo viel: Geschichte war weiterhin Geschichte nur eben ein
klein wenig anders. Wir hatten plötzlich eine tatkräftige Lehrerin
vor uns, die neben einem ausgeprägten Fachwissen auch noch genügend
Elan und Optimismus besaß, um uns zusammenhängend die geschichtliche
Entwicklung seit 1933 näherzubringen. Aufschlußreiche
Hefteinträge füllten unsere Blätter, auf die sich dann auch
für uns völlig neu - das Ausfragen und die Klausur bezogen.
Die Benotung war zwar streng, aber nicht mehr so schleierhaft wie früher.
Gemeinsam wurden historische Quellen bearbeitet und Arbeitsblätter
besprochen. Außerdem wurden wir viel mehr in den Unterricht miteinbezogen.
Zudem erfuhren wir, daß im Geschichtsunterricht auch andere Medien
(Kassettenrekorder, Nudeln, Äpfel,...) außer dem Tageslichtprojektor
zum Einsatz kommen können, um den Stoff besser zu veranschaulichen.
Wertung: Wesentlicher Beitrag zur
"Gesundung" des Geschichtsunterrichts:
Zugegeben, in der ersten Stunde standen
wir Frau Unger mit einer gewissen Skepsis gegenüber, die man neuen Lehrern
gewöhnlich entgegenbringt, vor allem wenn sie mit solcher, ja in Arbeitswut
ausartender Energie zu Werke gehen. Doch hatten wir sehr bald erkannt, daß
diese Vertretung ein Glücksfall für uns war. Obwohl wir uns anfangs
(nur anfangs ?) mit der Entzifferung ihrer Hieroglyphen auf Folien und
Arbeitsblättern ziemlich schwer taten, waren wir trotzdem über
jedes aufgeschriebene Wort froh. Endlich konnte man aus dem Heft lernen und
mußte sich nicht mehr alles mühevoll aus dem Buch erarbeiten.
Frau Unger brachte Schwung in den Unterricht. Sie schaffte es als einzige
in unserer Geschichtskarriere, unser Interesse für dieses Fach zu wecken:
Plötzlich mußten und konnten (!) wir nicht mehr alle fünf
Minuten auf die Uhr sehen. Mitarbeit war gefordert, was für manchen
weniger angenehm war, wurde man doch aus seiner historischen
Vor-sich-hin-Döserei aufgeschreckt. Außerdem hatte für sie
das Fraternisierungsverbot mit den Schülern keine Gültigkeit, das
einigen anderen Lehrern anscheinend vorgeschrieben ist. Auf ihre Anregung
hin wurde der Geschichtsstammtisch geboren, ein abendliches Treffen, das
von etlichen Schülern gerne angenommen wurde. Fast vergessen war die
Zeit mit Herrn Einhellig, der mit seinem lustig-spöttischen Tonfall
uns manchmal das Gefühl gab, von ihm nicht ganz ernst genommen zu
werden.
Reaktionen: Unverständnis
für die Zwangsabschiebung von Frau Unger:
Mitte Februar wurde uns verkündet,
daß unser Herr Einhellig nun so weit zu Kräften gekommen sei,
daß er den Unterricht wieder übernehmen könne. Nach
Überwindung der ersten Euphorie, besser des ersten Schocks, begannen
wir zu protestieren: Die Tatsache, daß eine Lehrerin, die endlich etwas
auf die Beine stellen konnte, kurz vor dem Abi wieder verdrängt werden
sollte, stieß bei vielen von uns auf völliges Unverständnis.
Wir wollten Frau Unger behalten. Einerseits hatten wir sie selbst und ihre
Fähigkeiten zu schätzen gelernt. Andererseits sahen wir schon im
voraus Probleme bezüglich der Klausur (ganz so schlimm, wie erwartet,
wurde es dann doch nicht!!) und dem Abitur auf uns zukommen. Alle Einwände
waren umsonst. Mitte März (3 Wochen vor der Klausur, 2 Monate vor dem
Abitur !) mußten wir sie ziehen lassen und verfielen wieder in unsere
frühere "Begeisterung" zum Fach Geschichte. Schade, daß Schüler,
und damit die unmittelbar Betroffenen, in solchen Angelegenheiten nie gefragt
werden!!